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von Philipp » 14.08.2010, 12:02
Hallo Leute.
Diesmal rief mein Tutor heute morgen bei mir an und schlug vor, wir könnten uns zum Frühstück im Café treffen. Es schien ihm nichts auszumachen, dass ich ihn ständig um Hilfe bat; ich glaube, er genoss es sogar, meine Reaktionen auf seine subtilen Andeutungen zu beobachten.
Er wollte natürlich wissen, welche Fortschritte wir machten und welche Ideen wir hätten.
“Irgendwie recht wenig”, meinte ich. “Mucol aus dem Forum hat aber herausgefunden, dass der dritte Abschnitt vermutlich spiegelverkehrt geschrieben ist, weil ein Punkt vor dem Satz steht statt dahinter, und weil die Symbole selbst auch gespiegelt aussehen.”
“Mir scheint”, sagte er, “dieser Mucol hat einen scharfen Blick für Details. Sehr gut.”
“Aber sonst wissen wir mit dem dritten Abschnitt wenig anzufangen”, fuhr ich fort.
“Es gibt zwar die Idee, man könnte die 9 Dreiergruppen vielleicht abwechselnd lesen müssen, oder es könnte eine Internet-Adresse darstellen, und ich dachte auch schon, man könnte die Dreiergruppen vielleicht in einer Art Matrix anordnen, aber damit habe ich bisher auch nur Blödsinn entschlüsselt.”
Er fing plötzlich an zu kichern und schien gar nicht mehr aufhören zu wollen.
“Was ist los?” fragte ich.
“Ach”, prustete er, “ich stellte mir nur gerade vor, wie du damals vielleicht deine Vorlesungsskripte gelesen hast. Vom Anfang ein Stück durchgearbeitet, dann die hinteren Kapitel, dann ein Stück aus der Mitte, oder doch noch lieber ein paar Seiten vorher, weil dir plötzlich die Kenntnisse aus den vorherigen Kapiteln fehlten.”
“Nee, so hab' ich das ja garnicht gemacht!”
“Nein?” kicherte er weiter.
“Mensch, Philipp! Folgst du auch manchmal deinen eigenen Ratschlägen? Oder gelten die nicht für dich selbst?”
“Hä? Wie? Was meinst du?”
Er grinste.
“Erst gestern hast du laut protestiert, als ich 'Y, X und Z' aufzählte, und du hast mir schlüssig dargelegt, dass es doch X, Y und Z heißen muss - womit du absolut recht hast.
Ich war froh, dich dazu gebracht zu haben, zu erkennen und laut auszusprechen, dass es oft auf die Reihenfolge ankommt...
Und jetzt kommst du daher und erklärst mir, dass du nach Lösung des ersten Abschnitts direkt mit dem Dritten weitermachen willst?”
Nach einem verdutzten Moment wollte ich auch loslachen, was mir aber im Halse stecken blieb, da meine Ohren sich anfühlten, als würden sie plötzlich rot glühen. Um von diesem Effekt abzulenken, verzog ich meine Lippen zu willkürlichen arabischen Schriftzeichen, die sich mit Runensymbolen abwechselten.
“Okay. Klar. Hab ich... ähm... naja, ich hatte zum zweiten Abschnitt irgendwie noch weniger Ideen. Da dachte ich, vielleicht fällt mir ja etwas zum Dritten ein.”
“Philipp, bitte entschuldige.” Er schaute mich ernst an. “Es lag mir fern, dich auszulachen oder zu belächeln; du hast bisher alles sehr gut gemacht, besser als andere vor dir. Es ist nur so, dass mir plötzlich wieder ein ehemaliger Student von mir in den Sinn kam, der tatsächlich Skripte von hinten zu lesen begann, weil er meinte, er könne dadurch Zeit sparen, und auf der letzten Seite würden alle wichtigen Erkenntnisse offenbart, so wie Täter in Kriminalromanen.
Also, lass uns doch noch einmal die Dinge unbeeinflusst von irgendwelchen Erwartungen betrachten.
Was siehst du?”
“Tja...”
(Ich hatte die Bodenplatte nicht dabei. Aber ich hatte sie schon so oft angestarrt, dass sie wie ein Schemen in meinen Kopf erschien.)
“Also, im oberen Abschnitt stehen eine Menge Worte, aus Runenzeichen gebildet, die...”
“Ach komm”, unterbrach er mich. “Das X hast du doch schon raus.”
Er meinte wohl die 'übersetzte' Version.
Ich fing nochmal an:
“Im ersten Abschnitt kommt Pi heraus.”
“Wirklich?” meinte er. “Da steht: 'Pi'? Beschreibe, was du siehst.”
“Hm. Nein, ein 'P' und ein 'i' stehen nicht da.
Ich sehe: 'Dir, o Held, o edler Philosoph...'”
Ich rezitierte den kompletten Spruch; den hatte ich schon so oft gelesen, dass ich ihn auswendig wusste. Außerdem dachte ich, es könnte mal ganz lustig sein, damit anzugeben, dass ich die Zahl Pi auf 30 Stellen hinter dem Komma aufsagen kann.
“Also insgesamt 31 Worte, wobei die Anzahl der Buchstaben eines Wortes jeweils mit einer Stelle der Zahl Pi übereinstimmt”, fasste ich zusammen.
“Das klingt doch schon viel besser”, meinte er.
“Und was siehst du im zweiten Abschnitt?”
“Da sehe ich 6 Worte; das erste besteht aus 6 Zeichen, die anderen 5 aus jeweils 5 Symbolen.”
“Nun”, meinte er, “ich glaube, mit deiner jetzigen Zusammenfassung sollte dir förmlich ins Auge springen, wie du weitermachen kannst. Darum lass uns für heute wieder Schluss machen.”
Wir frühstückten natürlich noch zu Ende und unterhielten uns dabei über andere Dinge.
Er erzählte von Studenten und anderen Professoren, ich erzählte von Professoren und anderen Studenten; es war interessant, wie die Perspektive die Sichtweise beeinflusst.
Jetzt sitze ich wieder daheim und male haufenweise Kästchenpapier voll, um irgendwo einen Schlüssel zu entdecken.
“Manch Schlüssel sich dem Blick verwehrt...”
Der muss doch irgendwo sein! Vielleicht, wie der Dozent schon früher andeutete, mal wieder so offensichtlich direkt vor der Nase, dass ich gar nicht mehr hingucke...
Seht ihr ihn vielleicht?
Gruß Philipp